Muskelaufbau bei Hypermobilität war immer ein Randthema in der Fitnessindustrie. Gerade aber, weil sich in den letzten Jahren immer mehr Frauen für Krafttraining und Muskelaufbau interessieren sollten wir uns diesem Thema einmal näher widmen. In diesem Beitrag erfährst du was du über Muskelaufbau bei Hypermobilität schon immer wissen wolltest und was du unbedingt vermeiden solltest.
Eins vorab, Krafttraining und Muskelaufbau bei Hypermobilität ist für die meisten Menschen problemlos möglich. Du musst dir also keine Sorgen machen dein liebstes Hobby wegen deiner Hypermobilität nicht mehr ausüben zu können.
Bin ich hypermobil?
Menschen die eine sehr große Flexibilität aufweisen werden allgemein als hypermobil bezeichnet. Dabei ist Flexibilität allein nicht der wesentliche Faktor, denn auch beispielsweise Sportler wie Gymnasten sind sehr flexibel aber nicht immer hypermobil.
Wirkliche Hypermobilität lässt sich testen, dazu wird allgemein die Beighton Skala angewandt. Dazu musst du die folgenden fünf Bewegungen durchführen.
Der Beighton-Test besteht aus fünf Bewegungen, wobei vier davon beidseitig durchgeführt werden.
Kannst du deinen Daumen seitlich zum Unterarm führen? Prüfe beide Daumen, wenn du auf einer Seite bis zu deinem Unterarm kommst gib dir einen Punkt pro Arm.
Als nächstes testest du die kleinen Finger. Wie weit kannst du die Finger nach oben biegen? Wenn dein Finger bei 90° zur Hand steht gib dir einen weiteren Punkt. Prüfe wieder beide Hände. Hier sammelst du bis zu zwei Punkten.
Als nächstes prüfst du deine Ellenbogen, kannst du deine Ellenbogen um mehr als 10° überstrecken gib dir pro Ellenbogen einen Punkt.
Das Gleiche gilt auch für die Knie, pro Knie was du um bis zu 10° überstrecken kannst, gibt es einen Punkt.
Der letzte Test ist die Rumpfbeuge, stelle dich dazu mit gestreckten Beinen hin und versuche mit deinen Handflächen den Boden komplett zu berühren. Falls du das schaffst gibt es nochmal einen Punkt.
Wenn, du insgesamt vier von neun Punkten erreichst liegt bei dir eine Hypermobilität vor. Für Kinder gilt das erst bei fünf Punkten.
Hypermobilität ist nicht unbedingt etwas schlechtes
Hypermobilität ist nicht unbedingt mit Beschwerden oder Schmerzen verbunden. Im schlimmsten Fall haben diese Menschen einfach kein Körpergefühl dafür wo ihre Extremitäten gerade sind. Oft wissen besonders Menschen, die nicht viel Erfahrung mit Sport haben nicht, dass sie gerade zum Beispiel ihren Ellenbogen überstrecken.
Es gibt für Leistungssportler keinen wissenschaftlichen Nachweis das es eine höhere Verletzungsrate unter den Sportlern mit Hypermobilität gibt. In einer 2017 publizierten Studie kommen die Forscher sogar das es bei den Verletzungsraten von Profi-Fußballspielerinnen keine Unterschiede zwischen hypermobilen und “normal” mobilen Sportlerinnen gibt.
Ein Grund könnte hier sein, dass die Sportlerinnen sich mit ihrer Hypermobilität auseinandergesetzt haben und die nötige Wahrnehmung entwickelt haben, um Verletzungen aus dem Weg zu gehen. Im Endeffekt sollte Hypermobilität niemanden vom Sport oder Muskelaufbau abhalten.
Oftmals ist hohe Mobilität bis zu einem gewissen Punkt auch erwünscht und wird durch Sport wie Yoga oder Gymnastik gefördert.

Muskelaufbau bei Hypermobilität
Für Muskelaufbau bei Hypermobilität gelten die gleichen Regeln wie für Menschen mit einer normalen Mobilität.
Bei der Ernährung sind die gleiche Grundlagen wichtig. Dazu zählt eine ausreichende Kalorienzufuhr, ausreichende Proteinzufuhr für den Aufbau neuer Muskulatur.
Neben der richtigen Ernährung ist es natürlich auch wichtig den richtigen Trainingsreiz zu setzen, um unsere Muskulatur zum Wachsen zu bringen. Was das Krafttraining angeht, solltest du einige Vorsichtsmaßnahmen treffen.
Krafttraining mit Hypermobilität
Dein Gehirn bekommt die Informationen wo sich deine Gelenke im Raum befinden zu einem großen Teil von Rezeptoren, die sich in den Bändern befinden, diese Wahrnehmung wird als Propriozeption bezeichnet. Wenn du laut der Beighton-Skala hypermobil bist, sind diese Bänder weniger straff als bei anderen Menschen.
Das wirkt sich auch negativ auf die Propriozeption, also die Wahrnehmung über die Rezeptoren aus. Wenn man seine Aufmerksamkeit jedoch bewusst auf seinen Körper lenkt kann man diese Wahrnehmung zu einem Gewissen teil erlernen und verbessern.
Ein weg diese Wahrnehmung insbesondere beim Training zu erhöhen ist es die Wahrnehmung auf die Muskeln zu lenken. Da man seine Muskulatur in einer anstrengenden Trainingseinheit natürlich eh spürt, macht es das sehr viel einfacher die wichtigsten Gefahrenquellen zu vermeiden.
Vermeide das Ende deines Bewegungsumfangs
Menschen mit Hypermobilität sollten beim Krafttraining nicht in die volle Dehnung gehen. Nehmen wir als Beispiel die Kniebeuge, dadurch das du dein Knie weiter als 0° durchdrückst, gewinnst du keinen weiteren Trainingsreiz, belädst dein Gelenk jedoch in einer mechanisch ungünstigen Position. Das setzt das Gelenk einem höheren Verletzungsrisiko aus.
Ein weiteres Beispiel wäre eine Liegestütze oder das Bankdrücken. Hier hast du, wenn du den Arm schon bis zu 0° durchgestreckt hast die ganze Arbeit geleistet. Gehst du darüber hinaus müssen deine Bänder die Last tragen ohne das es einen positiven Effekt auf deine Muskulatur hätte.
Du brauchst kein Dehnen
Wenn deine Bänder und Sehnen hypermobil sind kann es passieren, dass deine Muskulatur sich etwas mehr als üblich verspannt um deine Gelenke zu schützen. Das macht es vielleicht attraktiv sich zu dehnen, jedoch solltest du davon Abstand nehmen.
Das Dehnen hat an dieser Stelle keinen Platz, nutze stattdessen beispielsweise ein Massagegerät oder Foam Roller um deine Muskulatur zu massieren.
Wärme dich jedoch in jedem Fall vor dem Training ausreichend auf um nicht mit kalten Gelenken in eine schwere Belastung zu starten.
Gehe nicht ans Muskelversagen
Je stärker deine Muskeln ermüdet sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie nicht mehr in der Lage sind deine Gelenke ausreichend zu stabilisieren. Darum sollte für dich der Fokus noch viel mehr auf perfekter Übungsausführung liegen. Es gilt die Devise, Qualität statt Quantität.
Grundübungen sorgen auch bei Hypermobilität für Muskelaufbau
Die Grundübungen des Krafttrainings, also zum Beispiel Kniebeugen, Kreuzheben, Bankdrücken und Klimmzüge sind auch bei Hypermobilität kein Problem. Wichtig ist dabei, dass du besonderen Fokus auf die Übungsausführung legst. Filme deine Sätze mit einer Kamera und stelle sicher, dass du nicht zu nah ans Muskelversagen und nicht in die Überstreckung gehst.